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Erklärung des Netzwerkes Progressive Linke zum Aufruf zu einer bundesweiten „Friedensdemonstration“ am 03.10.2024 in Berlin und zu deren Unterstützung durch die Partei Die Linke

„Der Tod der menschlichen Empathie ist eines der frühesten und deutlichsten Zeichen dafür, dass eine Kultur gerade in Barbarei verfällt.“ (Unbekannt)

Wir Mitglieder des Netzwerkes Progressive Linke verstehen uns als Antimilitarist*innen.

Wir lehnen Krieg als Mittel der Politik ab, weil er unermessliches Leid über die betroffenen Menschen bringt, und sehen uns in der friedenspolitischen Tradition von Albert Einstein und Stefan Heym.

Wir sind der Auffassung, Friedensdemonstrationen sollten nicht stattfinden, ohne den größten derzeitigen Krieg, den völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine, seine Opfer, seinen Verursacher und dessen Verbrechen ins Zentrum zu stellen. Nichts davon findet man im Aufruf zu einer bundesweiten „Friedensdemonstration“ am 03. Oktober in Berlin oder bestenfalls als zynische Randnotiz, die dazu aufruft, das angegriffene Land mit seinem Leid und seinem Kampf um Souveränität und Selbstbestimmung im Stich zu lassen. Es gibt keine Verurteilung der russischen Aggression und keine Aufforderung an den Aggressor zum bedingungslosen Rückzug, was seine indirekte Unterstützung nahelegt.

Wir halten die im Aufruf stattfindende Verknüpfung der russischen Aggression mit dem derzeitigen Krieg im Nahen Osten für falsch. Beide Konflikte haben verschiedene Ursachen und Verläufe. Es gibt kein Wort darüber, dass das derzeitige Gemetzel im Nahen Osten die Folge der barbarischen Ermordung von fast 1200 unschuldigen Menschen in Israel und der Entführung von über 240 Geiseln, darunter zahlreiche Kinder, kranke und alte Menschen, durch die islamistischen Terrororganisation Hamas ist. Es gibt keine Forderung, die Geiseln sofort freizulassen, was ein Weg wäre, um den erbarmungslosen Krieg und das Sterben zehntausender unschuldiger Palästinenser*innen und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen schnellstmöglich zu beenden. Letztlich wird es nicht ohne die Bereitschaft aller Beteiligten zu einem Waffenstillstand gehen, wie er von der internationalen Gemeinschaft immer drängender gefordert wird.

Völlig unabhängig davon hat der russische Überfall auf die Ukraine in der Tat einen großen Krieg in Europa wieder denkbar gemacht. Das imperialistische und revanchistische Russland ist seit dem 2. Weltkrieg die erste Großmacht, die versucht, auf dem Kontinent bestehende Grenzen mit barbarischer militärischer Gewalt zum eigenen Vorteil zu verändern. Die erklärten Ziele gehen dabei über die Ukraine hinaus. Ein solches völkerrechtswidriges Vorgehen darf niemals Erfolg haben, soll es nicht als Blaupause für weitere Eroberungskriege dienen.

Wir sind uns nicht in jeder Hinsicht einig, was das im Einzelnen heißt, was dafür gerechtfertigt ist und was darüber hinaus geht. Eines eint uns jedoch über alle Meinungsunterschiede hinweg: Ein Aufruf zu internationaler Solidarität ist für uns undenkbar ohne Empathie für die Opfer des russischen Angriffskrieges.

Kein Wort über mehr als eine Million Tote und Verletzte, über 10 Millionen Flüchtlinge, kein Wort über hunderte bis auf den Grund zerstörte Dörfer, Städte und Infrastruktur, mehr als 900 zerbombte Schulen, Krankenhäuser, Kirchen und andere Einrichtungen. Kein Wort über entführte Kinder, Folteropfer, ermordete Zivilist*innen und Kriegsgefangene. Kein Wort über die mutigen Menschen in Russland und Belarus, die unter Lebensgefahr gegen die Diktaturen und den Krieg protestieren und deshalb brutal verfolgt werden.

Für uns gibt es keinen Zweifel: Wir stehen unbeirrbar an der Seite der ukrainischen Opfer der russischen imperialistischen Aggression und lassen uns davon auch nicht durch den Verweis auf reale oder vermeintliche Fehler „des Westens“ entsolidarisieren.

Wir distanzieren uns daher klar vom Aufruf zu einer bundesweiten „Friedensdemonstration“, der nicht zuletzt die Friedensbewegung spaltet. Gleiches gilt für den Aufruf der Partei Die Linke zu dieser Veranstaltung. Obwohl Letzterer verschiedene Kritikpunkte aufnimmt, halten wir ihn für einen gravierenden politischen Fehler und bekräftigen daher nochmals:

Diese Mobilisierung lässt über die benannte Kritik hinaus Die Linke als Teil einer politischen Gemeinschaft mit dem nationalistischen und rassistischen BSW erscheinen. Das ist für uns, die wir seit Jahren für eine klare Trennung von dieser reaktionären Politik kämpfen, nicht vertretbar.

Wir unterstützen daher den Aufruf der DFG-VK Berlin-Brandenburg für dezentrale Aktionen am 02. und 03.10.2024 unter dem Motto „Russland führt Angriffskrieg“.

(https://berlin.dfg-vk.de/pazifismus-statt-putin-propaganda)

Netzwerk Progressive Linke
Berlin, den 26.09.2024
f.d.R. Thomas Nord

Thomas Nord
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Ich wurde am 19. Oktober 1957 in Berlin geboren. Im Osten Berlins ging ich bis 1974 zur Schule, wurde 1976 Maschinen- und Anlagenmonteur und war anschließend, nach vier Jahren bei der Volksmarine, bis 1984 Jugendklubleiter.

Zur selben Zeit absolvierte ich ein Studium als Kulturwissenschaftler. Politisch überzeugt war ich in hauptamtlichen Funktionen in der FDJ, dann in der SED tätig und ließ mich 1983 als IM des MfS verpflichten. Der demokratische Umbruch in der DDR im Jahre 1989 öffnete mir den Weg vom Parteikommunisten zum demokratischen Sozialisten. Der offene Umgang mit meiner Biografie und das anhaltende Hinterfragen auch persönlichen Versagens gehört seit 1990 dazu.

Dies führte zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Realsozialismus, unterstützt durch eine mich prägende Zusammenarbeit mit Stefan Heym, dessen Mitarbeiter ich 1994/95 sein durfte. Die Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen in Deutschland ließ mich zunächst in der PDS, jetzt für DIE LINKE aktiv bleiben. Seit 1999 bin ich in Brandenburg aktiv. Dort war ich von Februar 2005 bis Februar 2012 Landesvorsitzender meiner Partei. 2009 wurde ich erstmals für DIE LINKE direkt, sowie 2013 und 2017 über die Landesliste erneut in den Bundestag gewählt. Seit 2012 bin ich Mitglied des Parteivorstandes und von 2014 bis Juni 2018 war ich Bundesschatzmeister meiner Partei.

Ein Kommentar

  1. Mathis Oberhof Mathis Oberhof

    Bravo!

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